Erwartungen und das Leben

“Leben ist das, was passiert, während Du Pläne machst.” So lautet ein kluger Spruch. Wir alle kennen das: Wir machen Pläne – für unseren Beruf, für unser Zuhause, für unsere Freizeit. Wir träumen vom perfekten Leben, das uns alle Wünsche erfüllt. Selbsternannte Lebensberater versprechen “Du kannst alles erreichen, was Du willst!”

Finn und Chap – Meine perfekten Gefährten im Sommer 2020

Dass das leider nicht stimmt erfahren wir im Laufe der Jahrzehnte, in denen das Leben passiert während wir Pläne machen. Auf der anderen Seite sind es unsere Träume, die unser Leben erst lebendig machen, wir möchten Ziele erreichen und tun viel dafür. Und vieles erreichen wir ja auch, das darf man nie aus dem Auge verlieren. Das, was nicht geklappt hat, sollten wir als Erfahrung hinnehmen. Im Nachhinein betrachtet gewinnt man auch den gescheiterten Projekten durchaus Positives ab. Meistens.

Wie sehr das gerade in Bezug auf unsere Hunde so ist, kann sicher jeder bestätigen, der mit Hunden zusammen lebt. Wenn ein Mensch sich einen Hund anschafft, dann hat er bestimmte Vorstellungen und Erwartungen an das gemeinsame Leben mit dem Tier. Und wenn man sich einmal etwas Zeit nimmt und überlegt, wie man sich das ganze vorgestellt hat bevor der Hund eingezogen ist und vergleicht es mit dem, wie es tatsächlich ist, dann werden die meisten zugeben: Es war ganz anders geplant.

Interessant ist, dass ich bei Hundemenschen oft feststelle, dass sie sich sehr viel schneller damit abfinden, dass der Hund nun doch ganz anders ist. Mensch passt sich an und am Ende ist man meist zufrieden und stellt fest: “Genau so wollte ich es.”

“Du bekommst nicht den Hund den du willst, sondern den, den du brauchst!” Auch so ein Spruch. Ob das nun tatsächlich so ist weiß ich nicht, aber es macht die Sache auf jeden Fall einfacher, wenn man daran glaubt. Mich zumindest hat es zum Hundetrainer gemacht. Ohne meine sehr speziellen Teampartner hätte ich niemals so viel Wissen über Hunde erworben – wozu auch, wenn der tierische Gefährte problemlos und einfach ist. Also: Danke Timmy, Bessy, Mara, Henry, Chap und Finn! Ihr alle seid die besten Hunde, die mir begegnen konnten – auch wenn für die meisten von euch gilt: Kein Mensch hätte sich darum gerissen mit euch durchs Leben zu gehen.

Bei den Tierschutzhunden hat man in der Regel nicht ganz so hohe Erwartungen, trotzdem hätte ich nie damit gerechnet, dass ein Hund, den ich von Welpe an bei mir habe, eine tiefgründige Abneigung gegenüber fremden Menschen haben könnte. Natürlich habe ich im Laufe meiner Ausbildung gelernt, dass solches Verhalten, wenn es genetisch oder während der ersten Lebenswochen von der Mutter erworben wurde, nie wirklich zu löschen ist. Dass das leider genau so ist weiß ich jetzt. Ich kann damit gut umgehen, schwer fällt es mir allerdings, wenn Außenstehende, die nichst von mir und dem Hund wissen, mich beschimpfen, weil Finn ihnen nicht freundlich wedelnd entgegen läuft, während sie auf ihn zugehen, sich nach vorne beugen und dem Tier versichern. “Ich tue dir doch nichts!” Ehrlich, ich hätte gerne einen Hund, der sich darüber freut. Tut er aber nicht, er fühlt sich bedroht. Also helfe ich ihm daraus und entschuldige mich hiermit bei allen, denen wir einfach den Rücken zukehren und weggehen.

Ein einziges Mal habe ich bisher einen Hund vom Züchter gekauft, ich habe eine ganz tolle Züchterfamilie gefunden und Chap ist rundum wirklich ein fantastischer Hund. Ein toller Arbeiter, super lieb zu Menschen und klar im Umgang mit anderen Hunden. Klar, ab und zu mal Rüden-Gepöbel – aber auch da ist nur viel Lärm um nichts. Chap sollte Rettungshund werden, das stand von Anfang an fest, danach hatte ich ihn ausgesucht. Und er war für diesen Job der perfekte Hund: stabil im Wesen, arbeitswillig mit viel Freude daran seine Aufgaben zu erfüllen. Er wurde im DRK für Einsätze in Trümmern und in der Fläche zugelassen, im Rettungshundesport haben wir es bis in die “Königsklasse” Trümmer B geschafft und bei der Deutschen Meisterschaft 2018 einen tollen 11. Platz (6. Platz nationale Wertung) belegt.

Und dann der Schock: Mit gerade mal 6 Jahren kam das Aus. Bandscheibenvorfall, Cauda Equina. Im Januar 2020 wurde er operiert, seitdem machen wir Reha und jetzt, wo er wieder so super läuft, der nächste Schlag: Beim Spaziergang wurde er von einem freilaufenden doppelt so schweren Rüden angegriffen. Und schon sind alle mühsam erarbeiteten Fortschritt im Gangbild wieder dahin – der geplante Start bei der Obedience Meisterschaft im Oktober ist seit gestern wieder in unendliche Ferne gerückt.

Mein Plan, als ich Finn im Januar 2019 zu mir nahm: Rettungshundearbeit mit beiden Hunden. Heute, anderthalb Jahre später, stehe ich da als Rettungshundeführerin ohne einsatzfähigen Hund. Als Sporthundeführerin ohne einen Hund, der in absehbarer Zeit Prüfungen und Turniere laufen kann.

Aber: Mit 2 tollen Hunden, die begeistert im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf dem Hundeplatz alles mitmachen und die als Teil meiner WG unverzichtbar sind. Die mich durch diese für mich wirklich schlimmen “Corona 2020” Monate treu begleiten. Ach, eigentlich habe ich mir das Leben mit Hunden doch immer genau so vorgestellt, nicht wahr?


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